Projekt: Lang lebe das Produkt!
Der weltweite und auch der deutsche Bekleidungsmarkt werden immer schnelllebiger. Fast Fashion-Firmen bringen in immer kürzeren Abständen Kollektionen und Produkte auf den Markt. Dadurch werden zunehmend mehr Ressourcen verbraucht, die Produkte selbst sind von minderer Qualität, die Haltbarkeit ist kurz, Reparaturen oder Wiederverwendung sind nahezu ausgeschlossen. Das steht im Widerspruch zur notwendigen ökologischen Transformation, die nach Kreislaufwirtschaft, nachhaltigen und ressourcenschonenden Produkten verlangt. Viele Unternehmen stellen ihre Prozesse bereits um. Oft liegt der Fokus dabei jedoch auf der Herstellung. Diese ist zwar ein wichtiger Hebel, aber nicht der einzige. Länger haltbare oder reparierbare Produkte wiegen fast noch mehr. Es ist etwas aufwendiger, diese Qualität zu produzieren, aber es sich lohnt sich.
Einige Geschäftsmodelle bauen darauf auf: Mit qualitativ hochwertiger Verarbeitung und entsprechenden Materialien, mit Gebrauchtbörsen, DIY-Reparatursets oder lebenslangem Umtauschrecht fokussieren Unternehmen die Bedürfnisse ihrer Käufer. Eine Herausforderung stellt jedoch der geschlossene Informationskreislauf zwischen Herstellern und Kundinnen und Kunden dar. Das Kunden-Feedback während der Nutzungsphase ist für Unternehmen sehr wertvoll, wird aber bislang kaum systematisch erfasst und genutzt. Meist erhalten sie anonyme, negative Kommentare in Userforen. Die vom Münchner Start-up Brakeable initiierte Plattform Inspector setzt genau hier an: Die Nutzer geben ein spezifisches Feedback für einzelne Brands und können dieses mit Fotos hinterlegen.
Die Hersteller können darauf gezielt reagieren und den Kunden optimierte, qualitativ hochwertige Produkte und Lösungen anbieten. Aber rechnet sich der mögliche Mehraufwand wirklich, auch aus Sicht der Nachhaltigkeit? Er entsteht durch doppelte oder verstärkte Nähte, zusätzliche Ausrüstungsschritte, dickeren Stoff – dafür werden mehr Ressourcen verbraucht. In welchem Verhältnis stehen der Herstellungsprozess und die Pflege während der Nutzungsphase aus ökologischer Sicht?
Gemeinsam mit den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung (DITF) nahm sich das junge Unternehmen diesen Fragen an. Gemeinsam untersuchten die Projektpartner, ob höhere Produktqualität und längere Nutzungsdauer unmittelbar mit einem geringeren CO2-Ausstoß zusammenhängen. Anhand verschiedener Parameter des Produktionsprozesses, wie zum Beispiel Materialart, Verarbeitungs- oder Transportmethode wurde im ersten Schritt ermittelt, welchen CO2-Fußabdruck die Herstellung zweier Produkte verursacht. Für die Nutzungsphase wurden unterschiedliche Varianten angenommen. In einem Modell ging man davon aus, dass ein Teil ca. 50 Tage lange genutzt wird und währenddessen 25 Mal, also etwa alle zwei Tage gewaschen wird. In einem zweiten Modell waren es 100 Tage bei 50 Waschgängen und in einer dritten Variante gingen die Projektpartner von 150 Tagen Nutzung aus. Die dafür erforderliche, höhere Produktqualität bedingt einen etwas höheren Aufwand in der Herstellung, beispielsweise doppelte oder verstärkte Nähte. Dafür hat das Projektteam einen zusätzlichen Aufwand von ca. einem Prozent kalkuliert. Anschließend wurde der Product Carbon Footprint (PCF) der Herstellung mit den drei unterschiedlichen Nutzungsphasen in Zusammenhang gebracht.
Dabei stellte sich heraus, dass bei Produkten aus Wolle – trotz des leicht erhöhten PCF bei der Herstellung – der CO2-Fußabdruck je Tragezyklus (2 Tage anziehen und einmal waschen) knapp 60 Prozent geringer ist, wenn das Produkt insgesamt dreimal länger genutzt wird. Produkte, die beispielsweise aus Polyester bestehen und wesentlich weniger aufwendig produziert werden, können immerhin noch mit einem 45 Prozent geringeren CO2-Fußabdruck je Tragezyklus aufwarten.
Die Ergebnisse zeigen, dass Unternehmen einen signifikanten Einfluss auf den PCF nehmen können, wenn sie das Produktdesign und andere Herstellungsparameter so verändern, dass ihre Produkte hochwertiger und damit länger im Gebrauch sind – mehr sogar, als sie mit der Wahl der Stromquelle oder des Transportwegs haben.
Für die Unternehmen ergibt sich damit nicht nur ein weiterer Schritt in Richtung Nachhaltigkeit und Umweltschutz. Ein großer Benefit ist zusätzlich die verbesserte Reputation des Unternehmens, die zu einer gestärkten Marktposition führt. Auch die Kundschaft darf sich nicht nur darüber freuen, etwas für die Umwelt zu tun, wenn sie ihre Produkte lange nutzt. Ebenso verringern sich in diesem Fall die Produktkosten über die gesamte Nutzungsphase gesehen.
Die Ergebnisse sind bislang nur eingeschränkt auf Produkte außerhalb von Textil übertragbar. Das liegt daran, dass sich Design und geplante Nutzung von Produkten verschiedener Produktkategorien voneinander unterscheiden. Außerdem beziehen PCF und andere Analysearten wie das Product Life Cycle Assessment verschiedene Parameter und Zeithorizonte mit ein. Zum Beispiel müssen bei Motoren auch Emissionen in der Nutzungsphase bedacht werden. Fragen hierzu beantworten Ihnen das Projekt-Team an den DITF gern.
Die Ergebnisse sind vielversprechend und weisen den Weg zu weiterem Forschungsbedarf. Der PCF der Herstellung ist trotz der Komplexität der mehrstufigen textilen Wertschöpfung und der Herausforderungen bei der richtigen Wahl der Systemgrenzen (Scope 1, 2, 3) nachvollziehbar und transparent berechenbar. Die Nutzungsphase ist dagegen eine Black Box. Wie oft werden Produkte genutzt? Wie lange? Wie und wie oft werden sie gereinigt, repariert, weitergegeben, einer neuen Nutzung zugeführt? Und welcher Carbon Footprint entsteht dabei? Welche Informationen aus der Nutzungsphase können wie erfasst oder abgeschätzt werden? Welchen Einfluss diese Fragestellungen haben, werden die DITF und Brakeable in weiteren gemeinsamen Forschungsvorhaben nachgehen.
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