Standards im Datenaustausch: Als KMU von etablierten Lösungen profitieren
Im Rahmen des Lieferkettendemonstrators, der aktuell vom Mittelstand-Digital Zentrum Smarte Kreisläufe erarbeitet wird, sollen Daten digital erhoben und für den Austausch zwischen unterschiedlichen Unternehmen und auch über Ländergrenzen hinweg nach globalen Standards online bereitgestellt werden. Mit Guido Hammer, Digitalisierungsexperte im Mittelstand-Digital Zentrum WertNetzWerke, sprechen wir über die Vorteile der Standardisierung im Austausch von Daten über Firmengrenzen hinweg, über die spezifischen Herausforderungen für KMU und über Zukunftsperspektiven im Datenaustausch und in der Lieferkettentransparenz.
Herr Hammer, das Zentrum WertNetzWerke beteiligt sich mit seiner Expertise an der Arbeit am Lieferkettendemonstrator vom Mittelstand-Digital Zentrum Smarte Kreisläufe. Wie konnten Sie zu diesem Projekt beitragen?
In unserer gegenwärtigen Zeit werden Daten nicht mehr nur innerhalb eines Unternehmens von Abteilung zu Abteilung ausgetauscht, sondern täglich auch über Unternehmens- und Ländergrenzen hinweg. International anerkannte Normen und Standards vereinfachen hier die Kommunikation der Marktteilnehmer. Wir kennen das etwa mit dem DIN-Standard oder der ISO-Norm, die helfen, die Qualität und die Sicherheit von Waren und Dienstleistungen zu verbessern und nicht zuletzt damit ihren Austausch zwischen Ländern und Unternehmen zu vereinfachen. Beim Austausch von Daten haben sich weitere global gültige Standards und Produktidentifikationscodes, z. B. GTIN/EAN-Barcodes, international durchgesetzt. Diese werden von dem Konsortialführer in unserem Mittelstand-Digital Zentrum WertNetzWerke, der GS1 Germany GmbH in Köln, gepflegt. Das Mittelstand-Digital Zentrum Smarte Kreisläufe ist an uns herangetreten, damit wir unser Wissen zu den verschiedenen Standards einbringen.
Im Rahmen der von den Unternehmen zu schaffenden Transparenz in ihren Lieferketten wird es auch darum gehen, wie Unternehmen sich und ihre Produkte identifizieren können. Wie kann das gewährleistet werden?
So wie wir täglich im Internet über unsere IP-Adresse eindeutig identifiziert werden können, können Unternehmen Daten in standardisierter Form mit Hilfe elektronischer Standards austauschen. Beispiele für Standards im Datenaustausch sind etwa EDI für den Geschäftsdatenaustausch bezüglich Bestellung, Lieferschein, Rechnung oder GS1-Standards für die Identifizierung von Produkten und Prozessen und den Austausch von Ereignisdaten in Echtzeit. Diese Nummernfolgen können ein Unternehmen, eine Maschine, ein Bauteil, ein Zwischen- oder Endprodukt etwa in Logistikketten eineindeutig identifizieren. Grundsätzlich lässt sich zur Standardisierung sagen, dass sich bei dem Thema alles um den folgenden Dreiklang dreht: Wer/was bin ich, wo kommt es her, wo soll es hin. Oder international formuliert, geht es um Identify, Capture und Share. Durch das Vereinheitlichen von Datenformaten, Kommunikationsstandards bis hin zu Geschäftsprozessen wird eine gemeinsame Sprache geschaffen, die die Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten erleichtert oder erst möglich macht.
Die Standardisierung trägt also auch dazu bei, den Datenaustausch effizient zu gestalten. Welche Vorteile sehen Sie insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen?
Standards sind erst einmal für alle von Vorteil, etwa weil einheitliche Datenformate das Risiko von Übertragungsfehlern minimieren oder automatisierte Prozesse, also ohne händische Übertragung, Systeme problemlos miteinander kommunizieren können. Das geht zudem auch schneller. Weniger Fehler bedeuten immer auch geringere Kosten, etwa für Nacharbeit oder Retouren. Und in Bezug auf Lieferketten ermöglicht eine einheitliche Datenbasis auch eine bessere Übersicht über die gesamte Lieferkette. Unternehmen können schneller Engpässe erfassen, flexibel auf neue Partner oder veränderte Marktbedingungen reagieren. Standards aufzubauen und zu pflegen ist allerdings zeit- und kostenintensiv. Für den Mittelstand bedeuten etablierte Standards daher auch, dass sie auf Bewährtes zurückgreifen können und nicht selbst eigene, aufwendige Lösungen kreieren müssen. Und sie können sich als vertrauensvolle und zuverlässige Partner in die Zusammenarbeit mit großen Unternehmen einbringen, da sie ja dieselbe Sprache sprechen.
Welche Rolle kann der Lieferkettendemonstrator des Mittelstand-Digital Zentrums Smarte Kreisläufe bei der Förderung der digitalen Transformation von KMU spielen?
Der Demonstrator unterstützt mittelständische Unternehmen bei der digitalen Transformation, indem er zeigt, wie RFID-Tags und digitale Technologien die Rückverfolgbarkeit und Transparenz in der Lieferkette verbessern. Wie der Name schon sagt, demonstriert er die standardisierte Kommunikation über Unternehmensgrenzen hinweg. Dies erleichtert die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch zwischen verschiedenen Partnern entlang der Lieferkette. Durch praxisnahe Vorführungen hilft er, Technologieängste abzubauen und Unternehmen den sicheren Umgang mit Daten zu vermitteln. Neben der reinen Rückverfolgbarkeit werden auch Nachhaltigkeitsinformationen in die Lieferkette integriert. Dies hilft Unternehmen, ihre ökologischen Fußabdrücke besser zu verstehen und zu reduzieren.
Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Implementierung von Standards in KMU, haben Sie konkrete Beispiele aus Ihrer Projektarbeit und wie können diese überwunden werden?
Eine der größten Herausforderungen bei der Implementierung von Standards in KMU ist die Ressourcenknappheit. Oft fehlen Zeit, Personal, die notwendige Expertise und finanzielle Mittel, um solche Projekte effektiv umzusetzen. Ein Beispiel aus meiner Arbeit zeigt, dass ein kleiner Handwerksbetrieb die Einführung von ISO 9001 als zu bürokratisch empfand. Durch einen angepassten, schlanken Ansatz und die Einbindung der Belegschaft konnte die Flexibilität bewahrt und die Akzeptanz erhöht werden. Auch Widerstände bei Mitarbeitern sind oft ein Problem. Hier hilft klare Kommunikation, Schulungen und schrittweises Vorgehen, um die Vorteile der Standards verständlich zu machen und die Umsetzung in den Unternehmen zu erleichtern. Hier steht das Netzwerk der Mittelstand-Digital Zentren unterstützend den Betrieben bundesweit zur Seite.
Wie tragen Standards zur Transparenz und Rückverfolgbarkeit von Produkten entlang der Lieferkette bei?
Standards spielen eine entscheidende Rolle bei der Transparenz und Rückverfolgbarkeit von Produkten entlang der Lieferkette. Standards wie die des Global Traceability Standard (GTS) ermöglichen es Unternehmen, Produkte entlang der gesamten Lieferkette von der Herstellung bis zum Endverbraucher transparent und lückenlos zu verfolgen. Durch die eindeutige Identifikation von Produkten mit der GTIN und anderen Schlüsseln wie der GLN für Standorte oder der GMN für Modelle können Unternehmen genau nachvollziehen, woher ein Produkt stammt und wo es verarbeitet wurde. Technologien wie der EPC RFID ermöglichen eine schnelle und präzise Erfassung dieser Daten, während Plattformen wie EPCIS den sicheren Austausch von Informationen, etwa zu Produktionsprozessen oder Transportbedingungen, gewährleisten. So sorgen diese Standards für mehr Effizienz, Sicherheit und Vertrauen entlang der Lieferkette.
Welche konkreten Technologien und Datenformate werden im Lieferkettendemonstrator eingesetzt, und wie gewährleisten sie eine sichere und transparente Datenübermittlung?
Im Lieferkettendemonstrator werden Technologien wie RFID und das Internet of Things (IoT) genutzt, um eine sichere und transparente Überwachung der Lieferkette zu gewährleisten. RFID-Tags mit dem EPC-TDS-Standard identifizieren Produkte eindeutig, während IoT-Sensoren Umweltdaten wie Temperatur und Feuchtigkeit in Echtzeit erfassen. Diese Informationen werden im EPCIS-Datenformat bereitgestellt, das Echtzeit-Einblicke in den Status der Lieferkette ermöglicht. Die Sicherheit der Daten wird durch Verschlüsselung und strenge Zugriffsrechte gewährleistet, und durch den Einsatz von RFID und Blockchain kann die gesamte Lieferkette lückenlos nachverfolgt werden.
Inwiefern ermöglicht der Einsatz von Standards eine effizientere Erfüllung unternehmerischer Sorgfaltspflichten, z. B. im Hinblick auf die Nachhaltigkeit und Qualitätssicherung in Lieferketten?
Der Einsatz von Standards erleichtert es Unternehmen, ihre Sorgfaltspflichten zu erfüllen, insbesondere in den Bereichen Nachhaltigkeit und Qualitätssicherung. Standards wie ISO 9001, GOTS oder FSC setzen klare, messbare Kriterien, die es Unternehmen ermöglichen, Lieferanten systematisch zu bewerten und potenzielle Risiken in der Lieferkette zu identifizieren. Internationale Standards schaffen zudem eine einheitliche Basis für die globale Vergleichbarkeit, was die Kommunikation und Zusammenarbeit mit Lieferanten weltweit vereinfacht. Indem Unternehmen die Einhaltung von Standards dokumentieren, wird die Transparenz in der Lieferkette erhöht.
Welche zukünftigen Entwicklungen sehen Sie im Bereich der Standardisierung für den Datenaustausch entlang von Lieferketten, insbesondere in Hinblick auf die Integration von Technologien wie Blockchain oder IoT?
Das ist ein sehr dynamischer Bereich, der aus meiner Sicht durch die Integration von Technologien wie Blockchain und IoT stark beeinflusst wird. Blockchain wird die Transparenz und Nachverfolgbarkeit verbessern, indem es unveränderliche Aufzeichnungen von jedem Schritt der Lieferkette bietet. Smart Contracts werden dabei helfen, Geschäftsprozesse wie Zahlungen oder Qualitätsprüfungen automatisch und sicher abzuwickeln. Gleichzeitig liefern IoT-Sensoren Echtzeitdaten zu Produkten und Transportbedingungen, was Unternehmen ermöglicht, präzise Analysen und Vorhersagen zu treffen. Um diese Technologien effektiv zu nutzen, werden vorhandene Standards genutzt und teilweise neue Standards für die Interoperabilität zwischen Plattformen und Geräten notwendig sein, während auch die Datenqualität, Sicherheit und der Schutz vor Cyberangriffen zunehmend in den Fokus rücken. KI wird dabei helfen, diese Daten effizient zu verarbeiten und Prozesse weiter zu automatisieren. Durch die Kombination von Blockchain und KI können selbstlernende Smart Contracts entwickelt werden, die sich an veränderte Bedingungen anpassen.
Herr Hammer, vielen Dank für das Gespräch.
>> Lesen Sie auch Artikelserie zum Lieferketten-Demonstrator
In unserer Artikelserie zum Lieferketten-Demonstrator sprechen wir mit allen beteiligten Projektpartnern und erfahren, wie sie mitgewirkt haben, wo und vor welchen Fragen das Projekt steht und wie eine erfolgreiche Umsetzung gelingen kann. Alle bisher erschienenen Beiträge finden Sie hier.
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